Vanilleeis mit Mops

picture by Nieves Barreto

„Einmal Vanille, bitte!“
„Kommt sofort“, lächelt Henry der Eismann und reicht mir gleich darauf die Waffel. Die Kugel ist groß, die Eistüte kann sie kaum halten. Ich schlecke sofort den Rand ab, das Eis ist cremig und sehr vanillig, oberlecker. Im Frostschloss gibt es das beste Eis der Stadt – und es liegt nur zwei Straßen von meinem Zuhause entfernt. Glück für mich, denn ich liebe Eis und es ist Sommer. Doch das sind nicht die einzigen Gründe, warum ich seit einer Woche jeden Tag hierherkomme. Es gibt noch einen weiteren, einen heimlichen: Ich will mich verlieben. Irgendwie tun das jetzt alle. Angefangen hat Holly, die Neue. Kaum da und schon ist sie das beliebteste Mädchen der Klasse. Plötzlich will jeder sein wie sie: perfekt geschminkt und immer trendy Sachen an, selbst bei Matschwetter. Mir ist das total schnuppe, aber seit meine besten Freundinnen auch dem Holly-Wahnsinn verfallen sind, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als da mitzuspielen. Sonst bin ich irgendwann raus. Ich kann jetzt schon kaum mehr mitreden. Bei den anderen geht es nur noch darum, in den Ferien eine Sommerliebe zu finden. Ich finde zwar, dass es Spannenderes als rosa Herzchen gibt, will aber meine Freundinnen nicht verlieren. Also habe ich beschlossen, dass ich, Luna Paulsen, seit seinem Monat immerhin vierzehn, bereit für Schmetterlinge im Bauch bin. Und die erste Verabredung hat man ja bekanntlich in der Eisdiele. So steht es jedenfalls in Büchern. Also kann ich auch gleich hier warten, dass mein Date vorbeikommt. Und dabei gemütlich ein Eis essen. Ein guter Plan, finde ich, setze mich auf den Bordstein, blinzele in die Sonne und lasse die süße Vanille auf meiner Zunge schmelzen. Da schnuffelt plötzlich etwas Warmes und Feuchtes an meinem nackten Bein. Es ist ein Mops mit großen runden Augen und einer niedlichen Schnauze, aus der eine kleine rosa Zunge hängt. Ich kenne ihn, er scheint hier zu wohnen. Jedenfalls beäugt er mich immer neugierig, wenn ich mir ein Eis hole, heute will er wohl mal „Hallo“ sagen.
„Hi Mopsi“, begrüße ich ihn. Er hechelt freundlich zurück. Dabei sieht er aus, als würde er lächeln. Ich klopfe auf den Platz neben mir und er setzt sich. Gemeinsam beobachten wir die Menschen, die vorbeikommen. Ein Traumprinz ist leider nicht dabei. Meine Eistüte ist fast leer, da spüre ich einen Blick auf mir ruhen. Es ist Mopsis. Er fixiert mich und die Waffel von der Seite. Seine Zunge tropft. Ob er was vom Eis abhaben will?
„Das ist nicht gut für Hunde“, kläre ich ihn auf. Er winselt. Mein Herz schmilzt. „Vielleicht ein klitzekleines bisschen. Aber vorher frage ich dein Herrchen.“ Der Mops springt auf und wedelt. Er scheint mich zu verstehen, wie süß. Auch ich erhebe mich und frage Henry: „Darf der Hund ein wenig Eis?“
„Weiß nicht.“ Henry zuckt mit den Schultern. „Schokolade vertragen sie nicht, habe ich gelesen. Vanille geht vielleicht. Aber ich kann das nicht entscheiden. Ist ja nicht mein Hund.“
Das überrascht mich. Ich dachte, der Mops wohnt im Frostschloss. „Wem gehört er denn?“ Suchend sehe ich mich nach einem Herrchen oder Frauchen um.
„Keine Ahnung. Er ist jeden Tag hier, wie du.“ Henry zwinkert mir zu. „Wegen der Krümel, nehme ich an. Ich gebe ihm immer frisches Wasser,“ er beugt sich vor und flüstert verschwörerisch, „und manchmal auch ein bisschen Futter.“
„Aber du weißt nicht, wo er wohnt?“, hake ich nach.
„Nein. Wenn ich morgens komme, ist er schon da. Schläft meist unter der Bank.“ Er deutet mit dem Kinn quer über die Straße. „Ich habe sogar schon Zettel mit einem Foto von ihm verteilt, darauf hat sich aber niemand gemeldet.“
Ich stelle mir vor, wie Mopsi ganz allein nachts hier eingerollt liegt. Das zieht mir das Herz zusammen. Ich liebe Hunde. Als ich noch jünger war, wollte ich immer einen haben. Aber meine Eltern waren dagegen. Sie arbeiten viel und meinen, dass sie sich nicht auch noch um ein Haustier kümmern können. Ich hocke mich zu Mopsi und kraule ihn hinter den Ohren. Ein Halsband trägt er nicht und auch keine Hundemarke. Ist er ein Ausreißer? Oder ein Ausgesetzter? Das kann ich mir gar nicht vorstellen. Mopsi ist so zuckersüß. Er hechelt mir sein breites Hundelächeln ins Gesicht und gibt mir sogar Pfötchen. „Willst du ihn nicht adoptieren?“, frage ich Henry.
Der schüttelt den Kopf. „Geht nicht. Ich habe eine Hundehaarallergie.“
Wie doof. Armer Mopsi. Ich setze mich wieder mit ihm auf den Bordstein und gebe ihm ein Stückchen Waffel mit einem Klecks Vanille. Mopsi schlabbert es ratzfatz auf. Ich knuspere meinen Rest, dann muss ich los: zum Malkurs. Mopsi winselt. Ich knuddle ihn ausgiebig und verspreche, morgen wiederzukommen.

„Eine Kugel…“ „Vanille“, unterbricht mich Henry und schaufelt bereits das Eis in die Tüte. Mopsi tanzt aufgeregt um mich herum. Ich freue mich auch total, ihn zu sehen. „Hallo Mopsi, ich habe dich richtig vermisst!“ Gestern Abend konnte ich lange nicht einschlafen, weil ich die ganze Zeit daran denken musste, dass Mopsi jetzt allein unter seiner Bank liegt. Aber jetzt scheint die Sonne, alles ist wunderbar und Mopsi quietschfidel. Wir toben erst ein bisschen, dann setzen wir uns auf den Bordstein. Ich erzähle Mopsi von meinem Tag: dass ich superätzend Mathenachhilfe hatte und mein Zimmer aufräumen musste. Mopsi hechelt verständnisvoll, das tut gut. Dann zeige ich ihm auf dem Handy ein Foto von der Sonnenblume, die ich gestern im Malkurs gezeichnet habe. Mopsi schlabbert über das Display. „Ih“, lache ich und wische die Hundespucke ab, dabei kommt mir eine Idee. „Morgen zeichne ich dich.“ Mopsi bellt. Er scheint das toll zu finden. Schade nur, dass er kein Zuhause hat, wo er das Bild aufhängen kann. Am liebsten würde ich ihn in mein Zimmer schmuggeln. Er könnte in dem alten Puppenbett schlafen, das wäre voll schön. Vielleicht sollte ich meine Eltern doch noch einmal wegen eines Haustiers fragen. Schließlich bin ich jetzt schon vierzehn und kann mich allein um Mopsi kümmern. Oder? Ganz sicher bin ich mir nicht. Wie auch immer, ich bringe Mopsi nachher meine alte Babydecke vorbei, damit er es unter seiner Bank auch gemütlich hat. Einigermaßen zufrieden mit meinem Plan gebe ich ihm seinen Eisklecks. Dabei bemerke ich aus dem Augenwinkel schicke Chucks, die auf einem Skateboard auf mich zurollen. Sie gehören Enno. Enno aus der Acht C. Er sieht cool aus mit seiner zerschlissenen Jeans und dem California-Shirt. Lässig flippt er sein Skateboard hoch und klemmt es unter den Arm. Ein paar Mädels aus meiner Klasse finden ihn süß. Ich auch? Vielleicht.
„Hallo“, sage ich und bekomme heiße Wangen. Ist es jetzt soweit? Wird Enno mein erstes Eis-Date? Ich fühle mich ganz kribbelig. Bin ich etwa schon verliebt?
„Hi Luna, was geht?“ Er grinst schief und holt sich eine Eiswaffel: Schoko, das sehe ich, als ich kurz über die Schulter blicke. Jetzt kommt er zu mir. Mein Herz klopft. Ob er sich wohl neben mich setzt? Er tut es. Ganz nah. Nur Mopsi ist zwischen uns. Der macht plötzlich merkwürdige Geräusche. So, als müsse er sich dringend mal das Näschen putzen. Enno schaut auf ihn runter und hebt angewidert die Augenbraue. Auch wenn ich Enno sonst ganz okay finde, mag ich diesen Blick überhaupt nicht.
„Der röchelt ja wie Darth Vader“, gluckst Enno. Ich kann darüber nicht lachen. Schützend lege ich meine Hand auf Mopsis Rücken. Enno macht seltsame Atemgeräusche und findet sich dabei urkomisch.
„Und, was machst du so in den Ferien?“, lenke ich das Gespräch auf ein anderes Thema. Ich will nämlich, dass mein erstes Date schön wird.
„Am Pool chillen, tiktok, niksen.“
„Nixen? So mit Fischschwanz?“, rutscht es mir raus. Enno lacht sich knusprig, ich werde knallrot.
„N i k s e n“, buchstabiert er.
„Aha“, mache ich, habe aber immer noch keine Ahnung, was er meint. Peinlich. Mopsi leckt tröstend meine Hand.
„Au Mann, Luna, du bist zum Wegschmeißen“, kichert Enno in seine Eiswaffel.
„Ja, ha, ha“, lache ich künstlich. Das klingt selbst in meinen Ohren zum Weglaufen. Mopsi knurrt Enno an. Will er mich etwa beschützen? Ich kraule ihm beruhigend hinterm Ohr.
„Ist das dein Hund?“
„Nein“, antworte ich. „Er ist ein Streuner.“
„Die haben doch Flöhe“, ekelt sich Enno und rückt von Mopsi ab.
Ich merke, wie ich sauer werde. „Sei nicht so mies“, sage ich und nehme Mopsi auf meinen Schoß. Der sieht mich verliebt an. „Er ist mein Freund.“
„Du hast ja einen interessanten Geschmack: klein, pummelig und Hängezunge“, grinst Enno auf mich und Mopsi herab. Ich finde sein Lächeln plötzlich nur noch doof.
„Besser, als mit hochnäsigen Kohlköpfen abzuhängen“, ätze ich zurück. Nein, mit so jemandem will ich nicht befreundet sein. Mopsi wohl auch nicht: er pupst laut, gleich zweimal hintereinander. Der Gestank ist unerträglich.
„Igitt“, motzt Enno und springt auf. Dabei kleckert Eis auf seine Jeans: ein Riesenfleck Schoko. „Scheiße!“, motzt er.
„Stimmt, sieht exakt so aus“, lache ich. Enno wirft mir einen giftigen Blick zu, dann rollt er auf seinem Skateboard davon. Mopsi gibt mir Pfötchen. „High five“, kichere ich. Wir beide sind so dicke, einen besseren Freund kann ich mir nicht wünschen. Heute folgt Mopsi mir bis nach Hause. Ich knutsche ihm einen Abschiedskuss aufs Fell. Mopsi sieht mich mit seinen schwarzen Kulleraugen so lieb an, es bricht mir fast das Herz, ihm Tschüs zu sagen. Ich nehme mir vor, noch heute mit meinen Eltern zu reden. Ob mein Taschengeld für das Hundefutter reicht, muss ich noch checken. Zur Not gehen Mopsi und ich Zeitung austragen.

„Hier, dein Vanilleeis.“ Henry hat mich scheinbar schon von Weitem gesehen.
„Wuff.“ Mopsi springt an meinem Bein hoch und führt einen wilden Freudentanz auf.
„Er sitzt seit heute früh auf dem Bordstein und wartet auf dich“, weiß Henry zu berichten.
„Wie lieb!“ Ich kraule meinen Hundefreund unter dem Kinn. Mopsi schließt genüsslich die Augen. Leider habe ich keine guten Nachrichten für ihn: Meine Eltern sind gegen einen Haushund, weil er die ganze Zeit allein wäre, während ich in der Schule bin. Dementsprechend trübsinnig bin ich heute. Doch jetzt, da Mopsi bei mir ist, fühle mich schon viel besser. „Komm, wir gucken Leute.“ Vielleicht ist ja sogar mein Eisprinz dabei. Aber es kommen nur alte Opis, gestresste Mütter und verliebte Pärchen vorbei. „Ob die alle Urlaub machen?“ So wie meine Freundinnen, die mir jeden Tag Bilder vom Meer und Selfies mit irgendwelchen Surfer-Typen schicken. „Was, wenn die süßen Jungs auf Campingplätzen sind?“, frage ich Mopsi. „Dann habe ich hier keine Chance.“ Mopsi bellt aufgebracht. „Ist ja gut“, lache ich. „Du bist mein Liebling.“
„Wuff“, macht Mopsi, scheinbar besänftigt.
„Entspann dich mal, du kleiner Kläffer“, sagt eine Stimme hinter mir. Sie gehört Lukas, den habe ich gar nicht kommen gesehen. Er trägt Sportklamotten und einen Fußball unterm Arm. Lukas und ich haben zusammen Französisch, ich finde ihn witzig. Über seine frechen Sprüche kann ich mich immer kringelig lachen. Aber dass er Mopsi einen kleinen Kläffer genannt hat, finde ich nicht so lustig. Lukas nimmt Erdbeer und setzt sich neben mich.
„Süßer Hund“, sagt er und ich verzeihe ihm den Kläffer. Mopsi brummelt, er scheint noch etwas eingeschnappt zu sein. Lukas lässt sich davon nicht einschüchtern. Er macht es sich bequem und redet von Fußball. Ich schaue ihm verträumt beim Eisessen zu, fasziniert von seinen Lippen und frage mich, wie wohl mein erster Kuss wird. Bis ich von etwas Feuchtem auf meiner Wange aus meinem Tagtraum geweckt werde. „Wäh“, quieke ich. Mopsi hat mich abgeschlabbert. Jetzt hechelt er mich mit einem breiten Grinsen an. Lukas lacht sich schlapp, Mopsi macht einen unverhofften Satz auf ihn zu, schnappt sich seine Eistüte und rennt weg. „Mopsi, nein!“, rufe ich. Aber der hetzt mit einem Mordstempo den Gehweg entlang. Ganz schön sportlich. Hätte ich dem kleinen Kerl gar nicht zugetraut.
„Stopp, du Dieb“, brüllt Lukas und läuft ihm hinterher. Ich frage mich unwillkürlich, was er tut, wenn er Mopsi einholt. Will er das Eis zurückhaben? Und es dann noch essen? Die Vorstellung erheitert mich. Aus meiner Sicht ist es sinnlos, Mopsi einfangen zu wollen. Trotzdem rapple mich auf und folge den beiden, muss aber bald anhalten, weil ich vor Lachen Seitenstechen bekomme. Dieses Bild vor mir ist einfach zu komisch: Ein kleiner Mops fetzt mit Eistüte im Maul über die Straße, dahinter ein schimpfender Fußballer und ich, ich kann nicht mehr. Ich gebe auf. Kichernd und glucksend gehe ich zurück zur Eisdiele und warte auf die beiden. Mopsi kommt als Erster zurück. Er schaut mich treuherzig an. An seiner Schnauze klebt Erdbeereis. Ich kann ihm nicht böse sein. Kurze Zeit später kommt Lukas keuchend um die Ecke. 
„Sorry“, entschuldige ich mich für meinen Hundefreund. Lukas fordert Ersatz. Ich soll ihm eine Eistüte spendieren. Das sehe ich nicht ein. Der Sommer ist lang und außerdem brauche ich das Geld für Hundefutter. Ich will Mopsi nachher welches kaufen. „Da musst du schon Mopsi fragen, schließlich hat er dein Eis geklaut“, bleibe ich stur. Das findet Lukas überhaupt lustig, sauer haut er ab. Mopsi winselt schuldbewusst. „Lass mal, einen ohne Humor will ich nicht“, beruhige ich ihn und spendiere uns beiden noch ein Eis.


Der nächste Tag ist grau und kühl, aber das macht mir nichts. Ich freue mich schon den ganzen Vormittag auf meinen Eisdielenbesuch. Und vor allem auf Mopsi.
„Einmal Vanille – und einmal Leberwurst.“ Henry reicht mir zwei Waffeln, als ich bei ihm ankomme.
„Leberwurst?“ Ich schnuppere an der graubraunen Kugel.
„Habe ich selbst entwickelt: für Mopsi und all die anderen Hunde, die mit Frauchen oder Herrchen Eis essen gehen.“ Henry grinst stolz. „Die Waffel ist aus Hundecrackern, das war ein ganzes Stück Arbeit, die in Form zu kriegen.“
„Mega!“, staune ich und bin fast versucht, davon zu kosten. Aber Leberwurst ist nicht so mein Ding, also bleibe ich besser bei meiner Vanille.
„Mopsi hat schon eine Kugel probiert“, verrät mir Henry. „Er hat mir fünf Tatzen gegeben.“ So, wie Mopsi aufgedreht um mich herumhüpft, glaube ich ihm das gern. Er will an seine Leberwurstwaffel. Erstaunlich, wie hoch er springen kann. Ich mache noch ein paar Kunststücke mit ihm und dem Leberwursteis („Hop, rauf auf den Stuhl, super, und jetzt drunter durch: fein gemacht!“) dann setzen wir uns auf den Bordstein. Einvernehmlich schlecken wir unser Eis. Mopsi ist mit seiner Hundezunge schneller als ich, dafür leckt er sich noch eine kleine Ewigkeit genüsslich über die Lefzen. Als ich aufgegessen habe, hole ich das Bild raus, das ich für Mopsi gemalt habe. Es zeigt ihn mit einer Eiswaffel im Maul. Mopsi bellt. Ich glaube, ihm gefällt das Bild.
„Das sieht ja toll aus“, sagt da jemand hinter mir. Es ist Moritz. Er geht in meine Klasse und sitzt immer in der letzten Reihe. So richtig beliebt ist er nicht. Vielleicht liegt das an seinem Topfschnitt und den merkwürdigen Klamotten. Seine Pullis haben oft hässliche Karomuster und die Hosen sind meist zu kurz. Moritz ist groß und dünn, die anderen Jungs nennen ihn Laternenpfahl. Ich selbst habe nicht viel mit ihm zu tun, ich bin in den Pausen mit Mia und Sara zusammen (und seit kurzem notgedrungen auch mit Holly). Keine Ahnung, was Moritz so in seiner Freizeit macht. Eisessen, scheinbar. Aber bitte nicht mit mir. Wenn mich jemand, oder (Katastrophe!) gar Holly mit ihm sieht, zieht sie mich hundertpro damit auf. Und zwar wochenlang.
„Ja, ähm, danke“, erwidere ich auf sein Lob und hoffe inständig, dass Moritz sich nicht zu mir setzt. Er tut es. Besetzt einfach den Traumprinzenplatz, obwohl er gar keiner ist. Ich bin wenig begeistert. Mopsi hingegen schon. Er schnüffelt Moritz aufgeregt ab und krabbelt ihm auf den Schoß. Ist Mopsi etwa verliebt?
„Du riechst Kessy, was?“, lacht Moritz und knuddelt Mopsi ausgiebig. „Das ist meine Pudeldame.“ Mopsi hechelt, fast sieht es aus, als wenn er nickt. „Wie heißt dein Hund?“, fragt Moritz mich interessiert.
„Ich weiß nicht“, antworte ich und will schon „er ist nicht mein Hund“ hinzufügen. Aber das fühlt sich irgendwie nicht richtig an. Mopsi ist mein Freund. „Ich nenne ihn Mopsi“, sage ich und erzähle Moritz die ganze Geschichte. Warum, weiß ich selbst nicht. Aber Moritz kann gut zuhören, und er liebt Hunde. Das mag ich. Moritz findet, dass Mopsi ein cooler Name ist. Und als ich ihm verrate, dass ich echt traurig bin, weil ich Mopsi nicht behalten darf, bietet er an: „Wenn Du willst, komme ich mit und erkläre deinen Eltern, dass das gar kein Problem ist mit einem Hund. Ich kümmere mich um Kessy auch allein.“
„Und wie ist das mit der Schule?“, hake ich nach. Die Idee, Mopsi zu adoptieren, wird wieder realer.
„Ich gehe frühs mit ihr Gassi, dann wartet sie, bis ich wieder zurück bin und am Nachmittag machen wir eine große Runde.“ Er zuckt mit den Schultern. „Vormittags döst Kessy in ihrem Körbchen oder spielt mit einem Quietschball.“
„Und wo ist sie jetzt?“ Mein Herz klopft aufgeregt, sollte es wirklich so einfach mit einem Hund sein?
„Schläft“, erwidert Moritz. „Ich war mit ihr joggen. Jetzt ist sie fix und fertig.“ Er lacht. Dabei hat er niedliche Grübchen. Ist mir vorher noch nie aufgefallen. In meinem Bauch tanzen kleine Mopsis. Moritz ist netter als gedacht. Ich will ihn gerade zu Kosten für Hundefutter und Tierarzt befragen, da kommt Enno um die Ecke. Lukas ist bei ihm und Holly. Na bravo, auf die habe ich ja gar keine Lust. Ich will mich ungestört mit Moritz unterhalten. Was Holly und die anderen davon halten, ist mir plötzlich egal. Aber ich fürchte, sie werden dumme Sprüche machen und das nervt. Mopsi fängt augenblicklich an zu knurren. Er scheint eine gute Menschenkenntnis zu haben.
„Wen haben wir denn da? Luna und der Flohzirkus“, grölt Enno und sagt zu den anderen gewandt: „Achtung, der Mops ist ein mieser Stinker, haltet euch die Nasen zu.“
„Und eure Eistüten fest“, mault Lukas und wirft Mopsi einen bösen Blick zu. „Mir hat er gestern das Eis gemopst.“
„Funny“, kichert Holly und hakt sich bei Enno unter. „Da haben sich ja die Richtigen gefunden.“
Mir wird plötzlich heiß vor Wut. „Ihr Blödpesen euch ja offensichtlich auch. Wie wollt ihr denn genannt werden? Enno & die einfältigen Esel. Oder lieber: Lukas & die lahmen Luschen!“, sprudelt es aus mir wie aus einem überkochenden Geysir. Es reicht. Ich war lange genug nett zu Holly und ihren Anhängern – die alle auslachen, die ihrer Meinung nach nicht so hip und cool sind wie sie. Erst gestern hat Holly sich über meine Zöpfe lustig gemacht: die seien wie die von einem Kindergartenkind. Moritz nimmt meine Hand, will mich wohl abhalten, weiter zu motzen, aber ich kann nicht anders. „Ich hab’s: Holly und die Hohlbirnen.“ Hollys hübsches Gesicht verzieht sich zu einer fiesen Fratze. Sie tritt einen Schritt auf mich zu, holt aus – und schnappt sich meine Zeichnung. „Wie hässlich. Ist das ein Selbstportrait?“ Sie zeigt es den Jungs. Die prusten los.
„Gib’s mir zurück!“ Ich springe auf und will ihr das Bild entreißen. Aber Holly hält es außer Reichweite, gibt es ab an Lukas, der hechtet zur Seite. Moritz will mir helfen. Mit seinen langen Armen hat er das Bild fast. Aber Lukas knüllt es zusammen und wirft es weiter zu Enno.
„Hol’s dir doch“, grinst der blöde. Und heult gleich darauf laut auf. Mopsi hat seine Zähne in Ennos Jeans versenkt. Er zerrt an dem Hosenbein. Enno kreischt: „Nehmt das Monster weg!“ Lukas und Holly retten sich auf die nächste Bank.
„Das Bild“, sagt Moritz ruhig. Enno wirft es ihm vor die Füße.
„Ist gut, Mopsi“, beruhige ich meinen kleinen Fellfreund. Der lässt von Ennos Jeans ab und sieht mich mit treuen Augen an.
„Dafür wird der Köter zahlen!“, schreit Enno.
„Wofür denn?“, will Henry wissen, der jetzt auch dazugekommen ist. „An deiner Jeans ist gerade mal ein feuchter Fleck. Ich schlage vor, ihr geht erst mal heim, Händewaschen, dann könnt ihr auf ein Eis wiederkommen.“ Holly und Lukas machen sich schon davon, Enno schnaubt und haut auch ab.
Ich nehme Mopsi auf den Arm und muss mich erst mal setzen. Meine Beine zittern noch vor Wut und der Courage, die ich von mir gar nicht gewohnt bin. Moritz streicht das Bild glatt und holt das Eis, das Henry uns auf den Schreck spendiert. Als er mir die Eistüte mit einem schiefen Grinsen reicht, frage ich mich unwillkürlich, ob das jetzt mein erstes Eis-Date ist. Glaube schon. Hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt. Aber ich find es so total super. Da sitze ich mit meinen beiden neuen Freunden und lache über Ennos dummen Gesichtsausdruck. Mopsi pupst. Moritz lacht. Morgen bringt er Kessy mit. Und dann überreden wir meine Eltern, dass Mopsi bei mir einziehen darf. 

Veröffentlicht von abfabisch

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